Griechenland hofft auf den Supersommer
Athen
Noch geht es im Hafen der griechischen Insel Skopelos beschaulich zu. Friedlich dümpeln die Fischerboote im Wasser, die ersten Touristen finden in den Tavernen mühelos einen Platz in der Sonne, die Wirte servieren gut gelaunt Tomatensalat und Tintenfischringe.
Es dürfte sich um die Ruhe vor dem Sturm handeln: Nach dem Rekordjahr 2016 mit rund 27,5 Millionen Touristen soll die Zahl der Griechenland-Besucher dieses Jahr auf bis zu 30 Millionen steigen.
„Warten wir ab, sigá, sigá, langsam, langsam!”, ruft Rigas Gripiotis, auch wenn das breite Lächeln im Gesicht des jungen Kochs seinen Optimismus verrät. „Skopelos liegt ja etwas ab vom Schuss, wir sind nicht Mykonos oder Santorini, wo immer viel los ist”, erklärt er seine Zurückhaltung. Dennoch hoffen Rigas und seine drei Brüder auf den Supersommer. Ihre Taverne „Kymata” direkt am alten Hafen der Insel ist frisch getüncht, alles steht bereit für die Gäste.
Dimitris Skalidis, der im Fischerort Tolo auf dem Peloponnes drei Hotels betreibt, hält sich gar nicht erst zurück: „Wir erleben einen Touristenboom, wie es ihn seit Jahrzehnten nicht mehr gab”, schwärmt er. „Wir sind fast ausgebucht und haben sogar schon Buchungen für 2018 entgegengenommen!” Christos Pilatakis, Hoteldirektor auf der Insel Rhodos, pflichtet bei: „Sogar im November sind hier in unserem kleinen Ort Lindos noch 60 Prozent der Zimmer belegt.”
Vor allem die deutschen Urlauber zieht es in diesem Jahr nach Hellas. Die Deutschen machen von jeher die meisten ausländischen Gäste Griechenlands aus - in diesem Jahr soll ihre Zahl noch einmal um rund eine Million auf drei Millionen steigen, schätzt das Athener Ministerium für Tourismus. Bei Franzosen, Briten und Österreichern steht Griechenland ebenfalls hoch im Kurs.
Das Land profitiert von verschiedenen Faktoren: Von der unsicheren Lage in anderen beliebten Urlaubsländern wie der Türkei und Ägypten, aber auch davon, dass sich die Lage innerhalb Griechenlands in den vergangenen zwei Jahren beruhigt hat. „Seit 2015 haben wir keine nennenswerten Streiks mehr, und Attentate gibt es hier sowieso nicht - die Menschen fühlen sich sicher”, sagt Dimitris Skalidis.
Zudem hat seit Inkrafttreten des Flüchtlingspakts zwischen der EU und der Türkei der Flüchtlingszustrom stark abgenommen. Zwar erholt sich der Tourismus auf den besonders betroffenen Inseln Lesbos und Chios nur langsam, zumal dort immer noch viele tausend Flüchtlinge und Migranten unter schlechten Bedingungen ausharren müssen. Die Insel Kos jedoch verzeichnet bei den Buchungen wieder deutliche Zuwächse.
Das Geld der Touristen kann das notorisch pleitebedrohte Griechenland gut brauchen. Rund 13 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaftete die Branche 2016 - in diesem Jahr könnten es bis zu 50 Prozent mehr sein, heißt es beim Tourismusministerium, das zudem mit einem spürbaren Anstieg der Beschäftigten rechnet. Auch wenn es sich großteils um zeitlich begrenzte Saisonarbeitsplätze handelt, wäre das wenigstens eine zeitweise Entspannung für das Land mit der EU-weit höchsten Arbeitslosenquote von über 23 Prozent.
Gänzlich ungetrübt ist die Stimmung dennoch nicht, denn auch der griechische Tourismussektor ist von den umfassenden Sparmaßnahmen und Steuererhöhungen betroffen, die die internationalen Gläubiger dem hoch verschuldeten Land abverlangen. In der Hotellerie etwa stieg der Mehrwertsteuersatz von 13 auf 24 Prozent. „Um konkurrenzfähig zu bleiben, verzichten wir darauf, diese und andere Erhöhungen und Abgaben an die Kunden weiterzugeben”, sagt Dimitris Skalidis.
Warum der Staat die „Wirtschaftslokomotive” Tourismus belaste, anstatt sie zu unterstützen, kann der Hotelier nicht verstehen. Doch nun bleibt ohnehin keine Zeit mehr zum Grübeln, denn die Saison hat begonnen - und auch in Tolo auf dem Peloponnes sind die ersten der vielen erwarteten Gäste schon längst eingetroffen.